SAP Joule im Realitätscheck: Vorteile, Herausforderungen und die Rolle der Beratung

Der KI-Copilot im Fokus: Was ist SAP Joule?

Die Einführung von SAP Joule markiert einen Wendepunkt in der Interaktion mit SAP-Systemen. Es handelt sich dabei um einen KI-Copiloten, der tief in das gesamte SAP-Anwendungsportfolio integriert ist – von S/4HANA über SuccessFactors bis hin zu Ariba. Joule nutzt generative Künstliche Intelligenz, um als virtueller Assistent zu fungieren, der kontextsensitiv auf Anfragen reagiert und Aufgaben über verschiedene Anwendungen hinweg automatisiert.

Wer kann SAP Joule nutzen?

Die Zielgruppe von SAP Joule ist breit gefächert. Im Grunde kann jeder Anwender, der mit SAP-Anwendungen arbeitet, von Joule profitieren. Dazu gehören:

  • Endbenutzer und Fachabteilungen: Für die intuitive und schnelle Erledigung täglicher Aufgaben, wie das Anlegen von Bestellungen, das Abrufen von Berichten oder das Management von Personalzielen.
  • IT-Experten und Entwickler: Für die Beschleunigung von Entwicklungsprozessen und die Vereinfachung komplexer Systemabfragen.
  • Manager und Entscheider: Für den schnellen Zugriff auf konsolidierte Geschäftsdaten und die Unterstützung bei strategischen Entscheidungen.

Die technische Basis: BTP und die On-Premise-Frage

Um die strategische Bedeutung und die Implementierungsanforderungen von Joule zu verstehen, müssen wir uns die technische Architektur ansehen.

Ist SAP Joule Teil von SAP BTP?

Ja, SAP Joule ist eine Anwendung, die auf der SAP Business Technology Platform (SAP BTP) basiert und deren Services nutzt. Dies ist ein entscheidender Punkt, da es die Bereitstellung und Skalierbarkeit der KI-Funktionen ermöglicht. Die Nutzung von Joule setzt in der Regel ein Enterprise Global Account auf der SAP BTP voraus.

Ist SAP Joule On-Premise verfügbar?

Hier ist die Antwort differenziert: Joule selbst wird nicht als reine On-Premise-Lösung angeboten. Als Cloud-native KI-Anwendung ist es auf die Infrastruktur der SAP BTP angewiesen.

Allerdings kann Joule so konfiguriert werden, dass es mit On-Premise S/4HANA-Systemen interagiert. Dies geschieht über den SAP Cloud Connector und den SAP BTP Destination Service. Diese Komponenten ermöglichen eine sichere Verbindung zwischen der Cloud-basierten Joule-Instanz und den lokalen Daten und Prozessen. Für Unternehmen mit hybriden Systemlandschaften ist dies ein wichtiger Aspekt, der jedoch eine sorgfältige Planung und Implementierung erfordert.

Der Realitätscheck: Vorteile und Herausforderungen

Die Versprechen von SAP Joule sind beeindruckend, doch wie sieht der Realitätscheck aus?

Die klaren Vorteile

Die Vorteile von SAP Joule

Die Herausforderungen der Implementierung

Die Einführung von Joule ist kein reiner "Plug-and-Play"-Prozess. Unternehmen stehen vor mehreren Herausforderungen:

  1. Datenqualität und -zugriff: Die KI ist nur so gut wie die Daten, auf die sie zugreifen kann. Eine saubere, konsolidierte Datenbasis ist essenziell. Bei hybriden Landschaften muss der sichere und performante Zugriff auf On-Premise-Daten über den Cloud Connector gewährleistet sein.
  2. Kontextualisierung und Training: Joule muss auf die spezifischen Geschäftsprozesse und die Terminologie des Unternehmens trainiert und kontextualisiert werden. Standard-KI-Funktionen reichen oft nicht aus.
  3. Governance und Compliance: Der Einsatz von generativer KI in geschäftskritischen Prozessen erfordert klare Richtlinien für Governance, Sicherheit und Compliance.
  4. Integrationskomplexität: Die Anbindung von Joule an die bestehende Systemlandschaft, insbesondere in komplexen, heterogenen Umgebungen, erfordert tiefes technisches Know-how.

Die Architektur der Erweiterbarkeit: Joule Studio, Agents und Skills

Um das volle Potenzial von Joule auszuschöpfen, ist die Erweiterbarkeit durch Joule Studio und das Konzept der Agents und Skills von zentraler Bedeutung.

Joule Studio ist eine Funktion innerhalb von SAP Build, die es Entwicklern und Power-Usern ermöglicht, eigene, kundenspezifische KI-Agents und "Skills" zu erstellen.

  • Joule Skills: Diese sind auf die Verbesserung der Benutzererfahrung (UX) im Frontend ausgerichtet. Ein Skill ist eine spezifische, ausführbare Funktion, die Joule aufrufen kann, um eine Benutzeranfrage zu erfüllen (z.B. "Erstelle eine neue Bestellung").
  • Joule Agents: Agents sind komplexer und dienen der Automatisierung und Optimierung ganzer Geschäftsprozesse im Backend. Sie können eine Kette von Skills und Aktionen ausführen, um komplexe Workflows zu orchestrieren.

Die Architektur von Joule basiert auf einem Large Language Model (LLM), das als zentrale Intelligenz dient. Wenn ein Benutzer eine Anfrage stellt, leitet der Joule-Service diese an das LLM weiter. Das LLM entscheidet dann, ob es die Anfrage direkt beantworten kann (Grounded Response) oder ob es eine spezifische Joule-Funktion (einen Skill oder Agenten) aufrufen muss, um die Aufgabe zu erledigen.

Diese Architektur ermöglicht es Unternehmen, Joule über die Standardfunktionen hinaus an ihre individuellen Prozesse anzupassen und somit eine Clean Core-Strategie zu verfolgen, bei der kundenspezifische Logik in der BTP und nicht im Kernsystem (S/4HANA) implementiert wird.

Fazit und strategische Implikationen

SAP Joule ist zweifellos ein mächtiges Werkzeug, das das Potenzial hat, die Produktivität in SAP-Umgebungen radikal zu steigern. Es ist ein klares Bekenntnis von SAP zur KI-gesteuerten Prozessoptimierung.

Die strategische Implikation für Unternehmen liegt in der Notwendigkeit, die SAP BTP als zentrale Integrations- und Erweiterungsplattform zu adoptieren. Die erfolgreiche Nutzung von Joule hängt direkt von der Fähigkeit ab, die hybride Systemlandschaft zu beherrschen und die KI-Funktionen durch Joule Studio an die spezifischen Geschäftsanforderungen anzupassen. Die Zukunft der SAP-Nutzung ist untrennbar mit der Fähigkeit verbunden, diese neuen KI-Agents und Skills zu entwickeln und zu verwalten.

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